Erleichterte Mehrheitsfindung in der Wohnungseigentümergemeinschaft
Seit 1. Juli ist die Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG-Novelle 2022) zur Gänze in Kraft. Seit Anfang des Jahres gelten bereits die neuen Bestimmungen zu den privilegierten Bauvorhaben (siehe unseren Beitrag vom 27.12.2021). Nun greifen auch die geänderten Regelungen zur Willensbildung in der Wohnungseigentümergemeinschaft sowie zur Mindestdotierung der Rücklage.
Die Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft richtete sich bisher nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile insgesamt. Demnach bedurften die Beschlüsse der Gemeinschaft die Zustimmung von EigentümerInnen, die eine Mehrheit der Anteile an der Liegenschaft repräsentierten. Mit der WEG-Novelle 2022 wurde darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen, einen Beschluss durch zwei Drittel der abgegebenen Stimmen zu fassen, wenn diese auf zumindest ein Drittel der gesamten Miteigentumsanteile entfallen. Zu beachten ist, dass die zwei Drittel der abgegebenen Stimmen nicht nach Köpfen, sondern nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu bestimmen sind. Sie müssen ein Drittel aller (nicht nur der abgegebenen Stimmen) Anteile ausmachen. Auf diese Weise wird es ermöglicht, auch bei niedriger Beteiligung der EigentümerInnen einen wirksamen Beschluss zu fassen.
Wichtig ist, dass die WohnungseigentümerInnen bei Unterbreitung eines Vorschlags zur Beschlussfassung auf die geänderten Mehrheitserfordernisse hinzuweisen sind, insbesondere darauf, dass ein mehrheitlichen Unterbleiben der Stimmabgabe eine wirksame Beschlussfassung nicht verhindert. Bei einem Verstoß gegen diese Aufklärungspflicht kann der Beschluss angefochten werden.
Zusätzlich wurde mit 1. Juli auch ein Mindesterfordernis bei der Bildung einer Rücklage zur Vorsorge für künftige Aufwendungen eingeführt. Die monatlichen Beträge zur Bildung der Rücklage müssen mit mindestens EUR 0,90 pro Quadratmeter bemessen sein. Eine Unterschreitung ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn bereits eine hohe Rücklage gebildet wurde oder das Eigentumsobjekt kürzlich saniert wurde. Die Novelle stellt zudem klar, dass der Mindestbetrag mit dem Verbraucherpreisindex valorisiert wird und in zweijährigen Abständen anzupassen ist.
Haben Sie Fragen zur Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder zur Bemessung der Rücklage? Unsere Anwälte helfen Ihnen gerne und begleiten Sie. Kontaktieren Sie uns einfach.
Quelle:
WEG-Novelle 2022, BGBl I 2021/222
Erläuterungen zur WEG-Novelle, ErlRV 1174 BlgNR 27. GP
Kolmasch, WEG-Novelle 2022, 360lexisnexis.at